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Stefan Bötticher: Im dritten Anlauf soll es klappen

Im dritten Anlauf soll es klappen!

Bereits zweimal verpasste Stefan Bötticher (29) die Olympischen Spiele denkbar knapp. In Tokio möchte der Bahnradfahrer unbedingt an den Start gehen und hatte seine Qualifikation so gut wie sicher. Doch nun sind die Karten neu gemischt. Dennoch versucht er, die coronabedingte Verschiebung der Spiele als Chance zu sehen.

Stefan, die Olympischen Spiele 2012 in London hast Du knapp verpasst. Wie kam es dazu?
Es gab genau in dem Jahr eine Umstellung. Seitdem dürfen nur noch drei Leute zu Olympia, in den Einzeldisziplinen darf zudem jeweils nur einer starten. Aufgrund einer Sonderregelung hat die deutsche Nationalmannschaft 2012 einen vierten Mann mitgenommen. Er ist dann auch tatsächlich reingerückt, weil von den ersten drei Fahrern einer ausgefallen ist. Ich bin daher zu Hause geblieben und wäre der zweite Nachrücker gewesen, wenn noch etwas passiert wäre. Leider habe ich daher noch nie olympische Luft schnuppern dürfen und noch nie das olympische Dorf gesehen.

Vier Jahre später in Rio de Janeiro konntest Du aus gesundheitlichen Gründen nicht mit teilnehmen. Wie groß war die Freude über die Qualifikation für Tokio?
Genau, 2016 war ich am Knie verletzt. Das hatte sich bereits im Dezember des Vorjahres herauskristallisiert. Da habe ich die Reißleine gezogen, da es einfach nicht mehr ging. Egal, was ich gemacht habe, im Training oder im Alltag, hatte ich nur noch Schmerzen. Auch psychisch war das damals echt schwierig und hat mich in ein ziemliches Loch fallen lassen. Aufgrund der ganzen Probleme und Einschränkungen, die ich sogar im Alltag gespürt habe, habe ich das Fahrrad für ein halbes Jahr in die Ecke gestellt und wollte eigentlich gar nicht mehr fahren. Grundsätzlich verbinde ich mit dem Sport etwas Schönes: draußen zu sein, die Seele baumeln lassen zu können, auch mal ohne konkretes Ziel loszufahren. All das war aufgrund der Schmerzen nicht mehr möglich. Daher hatte ich Angst, dass ich selbst nach überstandener Verletzung die Lust am Fahrradfahren verlieren würde. Unter diesen Umständen wäre ein Comeback in dem Sinne eigentlich gar nicht mehr möglich gewesen. Daher war es richtig, das so zu tun.
Tokio wäre die Möglichkeit gewesen, endlich an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Meine WM-Ergebnisse im Februar waren zwar nicht überragend – ich bin nicht aufs Podest gefahren – aber mit einem fünften und zwei sechsten Plätzen war ich der beste deutsche Fahrer. Damit hatte ich eigentlich mein Ticket sicher. Nun sind alle Tickets wieder vakant.

Wie hast Du angesichts dessen aufgenommen, dass die Spiele in diesem Jahr ausfallen mussten?
Anfangs, also bevor diese Entscheidung gefällt wurde, war die gesamte Situation sehr schwierig. Hier in Chemnitz konnten wir nicht trainieren, weil unsere Trainingsstätte erst einmal gesperrt war. Es herrschte eine große Ungewissheit. Niemand wusste, wohin sich die Welt entwickelt. Dabei ist der Sport Nebensache geworden, es ging um ganz andere gesellschaftliche Themen, die wichtiger waren. Nichtsdestotrotz habe ich mir eine Entscheidung gewünscht, um Gewissheit zu haben.
Am Ende muss man das Positive sehen: Ich persönlich habe jetzt noch ein Jahr, in dem ich Dinge ausprobieren kann. Ich werde in meinem Alter nicht viel schlechter werden. Daher konnte ich die Verschiebung eher als Chance begreifen, Dinge zu verbessern, die letztes Jahr noch nicht so gut gelaufen sind.
Was mich natürlich trifft, ist die Tatsache, dass die Plätze für die Spiele wieder offener sind. Die Aussage des Bundestrainers lautet, dass die persönliche Leistungsentwicklung mit einfließt. Also ist mein sicher geglaubtes Ticket wieder vakant. Nach London und Rio soll der dritte Anlauf klappen. Es sah gut aus. Und nun fühlt man sich schon etwas seiner Chance beraubt, wobei für mich persönlich ja alles noch möglich ist.

Welche Ziele hast Du im kommenden Jahr?
Das ist Stand heute schwer zu sagen. Natürlich hoffen alle darauf, dass die Olympischen Spiele kommendes Jahr stattfinden können. Wie die Chancen stehen, ist aktuell schwer einzuschätzen. Auf alle Fälle ist es mein Ziel, mich dafür zu qualifizieren und mit einer Medaille nach Hause zu kommen. Aber das wird nicht einfach. Im Bahnradsport hat sich in den letzten zwei Jahren eine extreme Leistungsspitze entwickelt. Um sich da durchzusetzen, braucht man das nötige Glück und einen guten Tag. Die Frage ist zudem, welche Wettkämpfe es bis dahin geben wird. Momentan ändert sich ständig unser Rennkalender. Rennen werden abgesagt. Daher bleibt abzuwarten, ob die Spiele tatsächlich ausgetragen werden, was ich natürlich sehr hoffe.

Was braucht es, um diese Ziele zu erreichen?
Natürlich braucht man zunächst einmal ein Ziel vor Augen, damit dieses erreicht werden kann. Sollte Tokio Anfang nächsten Jahres erneut abgesagt werden, wird es für viele Sportler schwierig, den Trainingsalltag aufrechtzuerhalten und sich zu motivieren. Und beides ist nötig, um erfolgreich zu sein.
Abgesehen davon ist für mich die Bundespolizei ganz wichtig – sie ist mein Arbeitgeber und finanziert mein Leben. Sie ist der größte Sponsor, den jeder von uns hat, der in einer olympischen Sportart unterwegs ist und von der Bundespolizei gefördert wird. Wir bekommen jeden Monat unser Gehalt, können uns voll auf den Sport konzentrieren und auch in so einer schwierigen Zeit wie der aktuellen werden wir nicht auf Kurzarbeit gesetzt, oder müssen länger auf unser Geld warten. Das ist eine enorme Sicherheit – wie ein Fallschirm auf dem Rücken, der sich öffnet und einen auffängt, wenn es mal nicht so läuft. Natürlich gilt das auch für die Deutsche Sporthilfe, die zugesichert hat, die Förderung ohne Einschränkungen fortzusetzen, was in so einer schwierigen Zeit keine Selbstverständlichkeit ist.
Elementar für uns ist darüber hinaus, dass wir die Sporteinrichtungen nutzen dürfen, dass Hygienekonzepte umgesetzt werden und wir trainieren können. Wichtig ist auch, dass die Trainer weiter finanziert werden. Da sehe ich eine große Gefahr gerade im Nachwuchs, falls bei den jüngeren Sportlern vielleicht auf einmal nicht mehr so viel Geld von den Kommunen oder Städten zur Verfügung steht, um Trainer zu bezahlen. Da könnte es zu einer großen Problematik kommen. Doch wie es dort weitergeht, ist davon abhängig, wie sehr Corona das weitere Leben beeinflusst, ob und wie Training möglich ist. Das ist alles schwer abzusehen.

Fällt die Vorbereitung durch die besonderen Umstände schwer?
In der Anfangszeit war es schon schwer, sich zu motivieren. Denn mit der Olympia-Verschiebung ist das große Ziel für 2020 weggefallen. Wir haben dann versucht, anders zu trainieren als sonst. Ich habe zum Beispiel viel Trainingszeit auf der Straße verbracht. Das hat viel Spaß gemacht. Positiv war auch, dass wir von der Nationalmannschaft jeden Monat ein zehntägiges Trainingslager in Cottbus gemacht haben. Da hatten wir ein anderes Umfeld, haben andere Gesichter gesehen. Außerdem haben wir auch hier Dinge gemacht, die sonst nicht auf dem Trainingsplan stehen: wir sind paddeln gegangen, haben mal einen Schnupperkurs auf dem Golfplatz gemacht. So konnten wir den Kopf freikriegen, uns dabei aber auch sportlich betätigen.

Hat so eine lange Trainingsphase neben all dem Ungewohnten vielleicht auch etwas Positives?
Ja, definitiv! So lange habe ich in den vergangenen Jahren selten zu Hause in Chemnitz trainieren können. Es ist schön, zu Hause zu sein, Zeit für Familie und Freunde zu haben. Auch die Zeit für sich selbst, in der man einige Dinge überdenken konnte, war gut. All das kommt im Alltag oft zu kurz. Man sollte immer versuchen, auch im Negativen etwas Positives für sich zu finden. Für einen alten Hasen wie mich ist es ganz schön, so viel Zeit zu Hause zu haben und einen kontinuierlichen Aufbau zu betreiben. Normalerweise haben wir in unserem Sport alle drei Monate einen Höhepunkt, auf den wir speziell hin trainieren müssen.

Kann man schon sagen, ob im Bahnradsport in diesem Jahr noch Wettkämpfe stattfinden werden?
Im September hätten wir theoretisch drei Rennen. Doch da hat sich der Plan schon mehrfach geändert. Das Gute ist, dass viele Bahnen für den Sommer an der freien Luft sind. Da sind die Bestimmungen nicht ganz so streng wie in der Halle. Wahrscheinlich können wir am ersten Septemberwochenende in Rostock einen nationalen Wettkampf fahren. Außerdem waren zwei Rennen in Cottbus geplant, eins davon sollte die Deutsche Meisterschaft sein. Doch diese wurde abgesagt. Nun ist offen, wo und wann die Deutsche Meisterschaft stattfindet.
Angedacht ist auch eine Europameisterschaft im November, doch auch hier gibt es offene Fragen über den Austragungsort. Die BMX-EM in Belgien im Oktober wurde abgesagt, die Straßen-WM in der Schweiz steht auf der Kippe, da sie mit den aktuellen Vorgaben in der Schweiz bezüglich Personenzahlen nicht realisierbar zu sein scheint. All das ist offen, man muss abwarten, wohin sich das entwickelt. Es kann jedoch sein, dass dieses Jahr kein Rennen mehr stattfindet.
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